Pressemitteilung
- Immer mehr Kapitalgeber meiden den Energie- und Rohstoffsektor
- Seit 2015 haben die fünf größten Öl- und Gasproduzenten rund 200 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung verloren
- Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitswende gelingt nur gemeinsam mit den etablierten Branchenkonzernen
- Vier Maßnahmen helfen Energie- und Rohstoffkonzernen, Investoren und Kundenunternehmen für sich einzunehmen
Klimawandel, Energiewende, Kapitalmangel: Dem Energie- und Rohstoffsektor stehen gravierende Umwälzungen bevor. Insbesondere Versorger, Öl- und Gasproduzenten, Chemiekonzerne sowie Bergbauunternehmen müssen sich und ihr Geschäftsmodell zum Teil neu erfinden. Denn viele Investoren wenden sich von der Branche ab. Der Anteil des Energie-, Rohstoff- und Industriesektors am Börsenindex S&P 500 etwa ist bis Ende 2020 auf 16 Prozent gefallen. Im Jahr 2010 hatte er noch bei 30 Prozent gelegen. Allein die fünf führenden Öl- und Gasproduzenten verloren seit 2015 insgesamt rund 200 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung. Das hat die erste Auflage des „Global Energy and Natural Resources Report 2021: Navigating the Energy Transition“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben.
„Aktionäre und aktivistische Investoren haben den etablierten Energie- und Rohstoffkonzernen klargemacht, dass beim Thema Nachhaltigkeit Stillstand keine Option mehr ist“, erklärt Bain-Partner Michael Staebe, der die Praxisgruppen Industriegüter und -services sowie Energiewirtschaft in der DACH-Region leitet. „Dennoch sind deren Erfahrung, Kompetenzen und wirtschaftliche Bedeutung einfach unverzichtbar, um die Energiewende zu meistern.“ Für die Marktführer gelte es eine Vorreiterroller einzunehmen, was Ökobilanz und das Vorantreiben von Innovationen anbelange. Darüber hinaus müssten sie eine glaubwürdige ESG-Strategie verfolgen und so Investoren von sich überzeugen.
Kapitalmobilisierung ist kein leichtes Unterfangen
Eine Analyse der Kosten und Komplexität der Emissionsreduktion offenbart, in welchen Sektoren die größten Potenziale in Europa liegen. So ist der CO2-Ausstoß bei der Energieerzeugung beispielsweise vergleichsweise hoch. Zugleich sind hier die erforderlichen Technologien zur Reduzierung der Emissionen aber oft schon erprobt und die Mittel für die nötigen Investitionen – abhängig von den jeweiligen regulatorischen Rahmenbedingungen – relativ einfach zu heben (Abbildung).
Insgesamt aber zählt es mittlerweile zu den größten Herausforderungen, genügend Kapital zu mobilisieren, um die Klimaziele zu erreichen, die sich etliche Länder und Branchen gesetzt haben. „Schon seit einigen Jahren lässt sich weltweit ein verstärkter Kapitalabfluss aus dem Energie- und Rohstoffsektor in Bereiche wie Technologie, Finanzdienstleistungen und Konsumgüter beobachten“, stellt Branchenkenner Staebe fest. Der Zeitpunkt dieser Verschiebung sei besonders kritisch, da der gesamte Energie- und Rohstoffsektor schnellstmöglich auf neue Technologien umrüsten müsse, um emissionsarme und nachhaltige Lösungen zu schaffen. „Setzen ESG-Investoren jetzt auf die etablierten Energieunternehmen, können sie die Dekarbonisierung beschleunigen“, so Staebe weiter.
Überzeugungsarbeit tut not
Entsprechend sind die Unternehmen gefordert, mit einer klaren und überzeugenden ESG-Strategie Kapitalgeber für sich zu gewinnen. Laut Bain-Report sind dabei vier Maßnahmen besonders Erfolg versprechend:
- Realistischen Fahrplan für die Dekarbonisierung entwickeln. Jeder zweite im Rahmen des Reports analysierte Energie- und Rohstoffkonzern hat die Energiewende in seiner Unternehmensstrategie fest verankert und stellt Netto-Null-Emissionen in 25 bis 30 Jahren in Aussicht. Vorreiterunternehmen überzeugen mit nachprüfbaren Zwischenschritten und koppeln unter anderem die Vergütung des Managements an das Erreichen der ESG-Ziele.
- Chancen der Wasserstofftechnik nutzen. Traditionelle CO2-Vermeidungsstrategien reichen nicht mehr aus. Ein vielversprechender innovativer Ansatz ist die Nutzung von emissionsarm produziertem Wasserstoff. Dem Bain-Report zufolge wächst der Weltmarkt für Wasserstoff bis 2050 von aktuell jährlich 115 Millionen metrischen Tonnen auf rund 300 Millionen metrischen Tonnen pro Jahr.
- Alte und neue Märkte strategisch kombinieren. Energie- und Rohstoffunternehmen müssen eine Balance zwischen ihrem derzeitigen Kerngeschäft und neuen Wachstumschancen finden. Sie sollten eng mit Kundenunternehmen kooperieren, damit diese ihre ESG-Interessen einbringen und gleichzeitig an Lösungen zur Dekarbonisierung mitwirken.
- Technologien und Prognosesysteme fit für die Zukunft machen. Eine 2020 durchgeführte Bain-Befragung von Führungskräften im Energie- und Rohstoffsektor offenbart, dass mehr als die Hälfte unzufrieden mit der Genauigkeit der aktuellen Nachfrageprognosen ist. Der verstärkte Einsatz unter anderem von künstlicher Intelligenz ermöglicht hingegen eine exaktere Vorhersage der Kundenbedürfnisse, eine zielgenauere automatisierte Planung der Energielieferketten und damit auch niedrigere CO2-Emissionen.
Tatsache ist, dass die Energie- und Rohstoffunternehmen angesichts der enormen Herausforderungen in puncto Nachhaltigkeit mit allen Stakeholdern kooperieren müssen – und das intensiver denn je. „Für die Branche gilt es jetzt nachdrücklich unter Beweis zu stellen, dass sie einen deutlichen ökonomischen und ökologischen Mehrwert zu bieten hat“, betont Bain-Partner Staebe. „Denn nur dann werden auch die Investoren die für den ESG-Umbau notwendigen Finanzmittel bereitstellen. So können die Unternehmen ein wirtschaftlich solides Fundament schaffen, das es ihnen ermöglicht, ihre komplexen Geschäftsmodelle an künftige Anforderungen anzupassen – mit positiven Auswirkungen für die Umwelt und zum Wohl der kommenden Generationen.“