Pressemitteilung

Tech-Konzerne bedrohen Marktstellung deutscher Banken

Tech-Konzerne bedrohen Marktstellung deutscher Banken

Bain-Studie zur Kundenloyalität im Retail-Banking

  • 26. Februar 2019
  • Min. Lesezeit

Pressemitteilung

Tech-Konzerne bedrohen Marktstellung deutscher Banken
  • Jeder zweite Bankkunde in Deutschland würde Finanzprodukte etablierter Technologieunternehmen kaufen
  • 56 Prozent vertrauen zumindest einem Tech-Konzern mehr als der Bankbranche
  • Paypal und Amazon gelten in Deutschland als besonders vertrauenswürdig
  • Unter den Banken erreichen ING und die DKB die höchsten Loyalitätswerte
  • Mit einfachen digitalen Kundenerlebnissen und mehr Kooperationen können traditionelle Kreditinstitute den Angriff der Tech-Konzerne parieren

Apple Pay, Google Pay, Amazon Cash: Hightech-Konzerne greifen auch in Deutschland die Domänen der Banken an. Und viele Kunden begrüßen das, wie die Studie „In Search of Customers Who Love Their Bank“ der internationalen Managementberatung Bain & Company zeigt. An der Befragung haben weltweit rund 152.000 Bankkunden in 29 Ländern teilgenommen, darunter 9.600 in Deutschland. Tatsächlich würden 51 Prozent der Studienteilnehmer hierzulande ein Finanzprodukt von einem etablierten Technologieunternehmen kaufen. Die Bereitschaft ist umso größer, je jünger die Befragten sind (Abbildung). Zugleich vertrauen 56 Prozent zumindest einem der großen Tech-Konzerne mehr als der Bankbranche insgesamt. Als besonders verlässlich wird dabei der Bezahldienst Paypal eingestuft, auf den Plätzen folgen Amazon, das Versandhandelsunternehmen Otto sowie Google.

 

„Das große Vertrauen der Bankkunden in die etablierten Technologiekonzerne sollte die Kreditinstitute alarmieren“, betont Bain-Partner Dr. Dirk Vater, Leiter der Praxisgruppe Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Denn dadurch drohen sie mittelfristig nicht nur Erträge zu verlieren, sondern auch den regelmäßigen Kontakt zu ihren Kunden und damit wertvolle Informationen.“ Doch die Banken könnten gegenhalten. „Noch vertrauen die Deutschen ihrer Hausbank mehr als jedem Technologieanbieter“, so Vater.

„Mobile First“-Kunden sind besonders zufrieden

In jüngster Zeit wächst die mit dem Net Promoter Score® (NPS®) messbare Loyalität der Kunden gegenüber vielen Banken. Unverändert verfügen die beiden Direktbanken ING und DKB über die loyalsten Kunden. Ihr Vorsprung unterstreicht die zentrale Bedeutung digitaler Kanäle für den Erfolg im Retail-Banking des 21. Jahrhunderts. Mittlerweile erfolgen fast 92 Prozent aller Interaktionen von Kunden mit ihrer Bank, ohne dass sich ein Bankmitarbeiter einschaltet. Immer häufiger nutzen die befragten Deutschen Tablet oder Smartphone – und sind von der Leistung ihrer Bank angetan. Der NPS liegt bei den „Mobile First“-Kunden mit 25 Prozent deutlich über dem Wert anderer Kanäle (9 Prozent).

Für Bain-Partner und Branchenexperte Dr. Markus Bergmann ist dies richtungsweisend: „Wenn die Banken die Vorstöße der Tech-Konzerne abwehren wollen, müssen sie ihren Kunden einfache digitale Interaktionen bieten.“ Einfachheit und Zeitersparnis zählen neben der Qualität weltweit zu den wichtigsten Werttreibern für private Bankkunden.

Bain hat 30 Faktoren, die den Wert einer Bankdienstleistung oder eines Finanzprodukts ausmachen, in einer Pyramide systematisiert. Ihr Aufbau aus funktionalen, emotionalen und sozialen Elementen orientiert sich an der Maslowschen Bedürfnispyramide und beruht auf quantitativen sowie qualitativen Analysen aus drei Jahrzehnten. In Deutschland schnitten die Direktbankenin der jüngsten Studie bei den entscheidenden Werttreibern besser ab als die Filialbanken. Auch mindestens einen Technologiekonzern bewerteten die Kunden in vielen Ländern bei jedem der Top-Five-Faktoren positiver.

Barzahlung nach wie vor am weitesten verbreitet

Der Wettbewerb mit den Technologiekonzernen wird in den kommenden Jahren das Retail-Banking nicht nur in Deutschland prägen. Einen Vorgeschmack liefert der Konkurrenzkampf rund um Bezahlsysteme. Der Bain-Studie zufolge bezahlen 85 Prozent der Bundesbürger ihre Einkäufe bar. Auf Platz zwei der am weitesten verbreiteten Zahlungsmittel liegt mit 73 Prozent jedoch bereits Paypal, noch vor EC- und Kreditkarte (69 beziehungsweise 54 Prozent). Dass diese starke Stellung eines Internetanbieters nicht zwingend sein muss, zeigen Beispiele aus anderen Ländern. So dominiert in Schweden die 2012 von mehreren großen Banken gestartete Swish-App den Markt für Peer-to-Peer-Transaktionen. „Ein Schlüssel zum Erfolg im digitalen Zeitalter sind gemeinsame Plattformen“, sagt Bankenexperte Bergmann. „Die Zeit der Insellösungen einzelner Institutsgruppen oder gar einzelner Banken ist vorbei.“

Und das nicht zuletzt deshalb, weil sich die Digitalisierung weiter beschleunigt. Derzeit halten Sprachassistenten auch in der Breite Einzug. Unter den 18- bis 44-jährigen Befragten in Deutschland ist schon rund jeder Vierte grundsätzlich bereit, Bankgeschäfte mithilfe solcher Systeme zu erledigen. Technologiekompetenz allein wird die Kunden aus Sicht von Bain-Partner Vater jedoch nicht auf Dauer binden. „Banken müssen ihre Beratungskompetenz ausspielen und als vertrauenswürdiger Partner auftreten. Gelingt ihnen dies beispielsweise bei Firmengründungen oder einem Hauskauf, besitzen sie ein klares Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Technologiekonzernen.“

 

Über den Net Promoter Score® (NPS®)

Bain misst die Kundenzufriedenheit seit mehr als zehn Jahren branchen- und länderübergreifend mit dem Net Promoter Score® (NPS®). Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Bank einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei hat sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich loyale Kunden stehen („Promotoren“), sieben und acht passiv Zufriedene sind und Bewertungen von sechs oder weniger als Kritiker eingestuft werden müssen. Wird der Anteil der Kritiker von dem der Promotoren subtrahiert, ergibt sich der NPS.

Über die Studie

Bain & Company ermittelt weltweit einmal jährlich die Loyalität privater Bankkunden, ihre Produktnutzung und die hierfür verwendeten Kanäle. Die Befragung erstreckt sich auf alle wichtigen Institutsgruppen. Privat- und Direktbanken zählen ebenso dazu wie Genossenschaften und Sparkassen. Aussagen zu Einzelinstituten werden nur getroffen, wenn mehr als 200 Antworten vorliegen. Für die aktuelle Studie wurden weltweit rund 152.000 Kontoinhaber in 29 Ländern befragt, darunter rund 9.600 in Deutschland. Auf Anfrage lassen sich Auswertungen für einzelne Länder und Institutsgruppen erstellen. Die hohe Grundgesamtheit der Befragten und die international einheitliche Fragenstruktur ermöglichen zudem einen Überblick über aktuelle Entwicklungen im globalen Retail-Banking-Markt.

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