Pressemitteilung
- Umsatz im chinesischen Einzelhandel bricht im ersten Quartal 2020 um 19 Prozent ein
- Im selben Zeitraum geben die Chinesen 6,7 Prozent weniger für Waren des täglichen Bedarfs aus
- Durch Corona-Pandemie hat sich das Einkaufsverhalten in China deutlich gewandelt
- Onlinehandel mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln steigt um 19 Prozent
Im Zuge der Corona-Krise ist der Konsum in China so stark eingebrochen wie nie zuvor in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Der Umsatz der Einzelhändler fiel im ersten Quartal 2020, das vom Lockdown geprägt war, um 19 Prozent. Die von der Pandemie verunsicherten Chinesen hielten sich selbst beim Kauf von Artikeln des täglichen Bedarfs zurück. Dies sind Ergebnisse des „China Shopper Report 2020“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company.
Der Umsatz mit Verbrauchsgütern sank im Reich der Mitte in den ersten drei Monaten dieses Jahres insgesamt um 6,7 Prozent. Bei Lebensmitteln und Getränken schrumpfte er sogar um 7,7 Prozent. Selbst Drogerieartikel waren bis auf wenige Ausnahmen wie Körperhygiene oder Putzmittel weniger gefragt. Im Non-Food-Segment ging der Absatz um 4,6 Prozent zurück.
Längere Stagnation der privaten Nachfrage möglich
Gemeinsam mit dem chinesischen Verbraucherforum Kantar Worldpanel untersucht Bain bereits seit neun Jahren das Kaufverhalten der chinesischen Konsumenten bei Alltagsprodukten. Nach vielen Boomjahren hatte sich die Konsumgüternachfrage in der jüngeren Vergangenheit auf ein jährliches Wachstum von 5 Prozent eingependelt; 2019 waren sogar 5,5 Prozent erreicht worden. „Das ist jetzt Makulatur“, erklärt Miltiadis Athanassiou, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Konsumgüter und Handel in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika (EMEA). „Wann sich die private Nachfrage in China wieder erholt und das Vor-Corona-Niveau erreicht haben wird, ist noch nicht absehbar.“
Angesichts geopolitischer Risiken, des von 72 auf 58 Milliarden US-Dollar verringerten Handelsüberschusses, hoher Staatsverschuldung, Inflationsdruck und nicht zuletzt der Angst vor einem Wiederaufflammen der Pandemie steigt die Gefahr, dass der Konsum länger stagniert. Zudem hat sich die finanzielle Lage der Chinesen verschlechtert. Im ersten Quartal 2020 büßten sie 3,9 Prozent ihres verfügbaren Einkommens ein und rund fünf Millionen Menschen verloren allein im Januar und Februar ihren Arbeitsplatz.
Heimische Anbieter wieder mehr gefragt
Bislang waren die Einkaufsgewohnheiten der Chinesen von zwei maßgeblichen Trends geprägt. Mit steigendem Wohlstand griffen sie zu immer höherwertigeren Produkten. Zudem haben viele ausländische Labels an Popularität gewonnen und sind zuletzt stärker gewachsen als die heimischen Marken. „Doch durch die Corona-Pandemie hat sich das Konsumverhalten in China zum Teil radikal verändert“, stellt Bain-Partner und Konsumgüterexperte Oliver Merkel fest. „Die Kunden haben sich wieder mehr den vertrauten heimischen Anbietern zugewandt.“
Die fünf chinesischen Top-Marken verloren laut Studie im ersten Quartal 2020 beim Umsatz nur jeweils 6 Prozent, während die Konkurrenz 11 Prozent einbüßte. Ausländische Hersteller mussten sogar einen Rückgang von 14 Prozent hinnehmen. Zudem kauften die Konsumenten fast ausschließlich Discountprodukte. Die günstigen Marken blieben mit einem Minus von 1 Prozent nahezu stabil, Premiumartikel verzeichneten dagegen Verluste von 12 Prozent.
Schub für den Onlinehandel
Der Lockdown hat das ohnehin bereits kräftige Wachstum des Onlinehandels in China weiter beschleunigt – insbesondere bei Lebensmitteln. Im ersten Quartal 2020 legte der Umsatz, der über Onlinekanäle erzielt wurde, insgesamt um 19 Prozent zu, im stationären Handel ging er hingegen um 13 Prozent zurück.
Einen Boom hat das Livestreaming erlebt, das es erst wenige Jahre gibt. In dieser neuen Variante des Internetverkaufs werden Waren in kurzen Videos auf Plattformen wie Taobao, Kuaishou oder Douyin präsentiert. Die Clips waren während des Lockdowns eine Alternative zum Einkaufsbummel. Schon 2019 hatten sich die von den Shoppingfilmen initiierten Einkäufe verdreifacht. Mittlerweile machen sie 4 Prozent aller Onlineumsätze in China aus. Allerdings werden die Produkte im Livestreaming meist als Sonderangebote mit einem Abschlag von 30 bis 60 Prozent angepriesen.
Schnelle Digitalisierung Gebot der Stunde
Allen Schwierigkeiten zum Trotz bieten sich Konsumgüterherstellern aber auch Chancen. „Sie sollten ihr Angebot zielgenau auf die neuen Verhaltensmuster der Post-Corona-Zeit ausrichten“, rät Bain-Partner Merkel. Und er fügt hinzu: „Wer sich rasch auf die veränderten Marktbedingungen einstellt, kann auch dann erfolgreich sein, wenn die Zeiten unsicher bleiben.“
Für ausländische Anbieter heißt es, ihre lokale Präsenz verstärken und sich noch intensiver um das Vertrauen der chinesischen Konsumenten bemühen. Dafür müssen sie Produkte speziell für den dortigen Markt entwickeln und die dazu notwendigen Entscheidungen vor Ort treffen. Auch sind die Produkte mit hohem Tempo und über diejenigen Kanäle zu vertreiben, die für die Chinesen eine Selbstverständlichkeit sind. Betont Branchenexperte Athanassiou: „Konsumgüterhersteller kommen nicht umhin, ihr China-Geschäft weiter zu digitalisieren – und das schnell. Darüber hinaus müssen sie ihre Vertriebswege anpassen. Dazu gehört nicht zuletzt das bislang für sie ungewohnte Livestreaming.“