Brief
Auf einen Blick
- Da der Gesetzgeber auf die Rücklagen der Krankenkassen zugreift, wird Ende 2021 mehr als die Hälfte nur noch über Reserven von weniger als 25 Prozent ihrer monatlichen Ausgaben verfügen. Die Wettbewerbslandschaft wird nivelliert.
- Zugleich belasten neue Gesetze sowie die Rezession die Kassenbudgets – fehlende finanzielle Polster machen höhere Zusatzbeiträge wahrscheinlicher.
- Nur mit einem forcierten Kosten- und Leistungsmanagement können Anbieter dieser Gefahr begegnen. Mit dem Bain-Campus-Ansatz sind nennenswerte Einsparungen in allen Leistungsbereichen kurzfristig realisierbar.
Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz, kurz GPVG, ist ein eher unscheinbarer Titel für ein Gesetzesvorhaben, das potenzielle Sprengkraft besitzt. Denn damit soll nach aktuellem Stand (Oktober 2020) knapp die Hälfte der Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr 2021 in den Gesundheitsfonds fließen. Nach Analysen von Bain führt dies ohne höhere Zusatzbeiträge und ohne operative Verbesserungen dazu, dass Ende nächsten Jahres nur noch rund jede fünfte Kasse Rücklagen von mehr als 50 Prozent der monatlichen Ausgaben ausweisen wird. Ende 2020 werden voraussichtlich noch drei von vier gesetzlichen Krankenversicherungen über ein solches Polster verfügen. Im Gegenzug steigt der Anteil der Kassen mit Rücklagen von weniger als einem Viertel der monatlichen Ausgaben von 11 Prozent auf rund 55 Prozent (Abb. 1). Dies hat gleich in dreierlei Hinsicht Konsequenzen:
- Ohne finanziellen Puffer müssen Krankenkassen laufende sowie gesetzesbedingte Kostensteigerungen früher an die Versicherten weitergeben als bislang geplant.
- Die Nivellierung der Finanzkraft löst eine Neuordnung der Wettbewerbslandschaft aus. Kassen mit einer bisher schwächeren Position können aufholen, zuvor finanzstarke Wettbewerber müssen sich ihren Vorsprung neu erarbeiten.
- Ein optimiertes Kosten- und Leistungsmanagement wird zum Schlüsselfaktor. Denn nur so schaffen es die Kassen, dass ihre Reserven zumindest teilweise stabil bleiben und sie stark steigende Zusatzbeiträge vermeiden können.
Corona-Krise entlastet Budgets kurzfristig, neue Gesetze belasten langfristig
Das neue Gesetz trifft die angespannten Budgets der gesetzlichen Krankenversicherungen in einer besonderen Zeit. Durch die Pandemie ist 2020 bis dato schon herausfordernder gewesen als die Vorjahre. Dies liegt allerdings weniger an der Corona-Krise selbst. Denn da Operationen verschoben wurden und Menschen insgesamt seltener zum Arzt gingen, kam es im ersten Halbjahr 2020 sogar zu einer Nettoentlastung der Budgets.
Noch mehr zu schaffen machen den Kassen jedoch die steigenden Mehraufwendungen infolge diverser Reformen in der laufenden Legislaturperiode. In Summe verursachen das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG), das MDK-Reformgesetz sowie das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) Kosten in Milliardenhöhe. Und diese Belastungen bleiben. Nicht zuletzt konjunkturbedingt wird 2021 eine Lücke von insgesamt 16 Milliarden Euro in den Budgets der Kassen klaffen.
Geschlossen werden soll diese zur Hälfte durch den Griff in die Rücklagen. Hinzu kommen ein einmaliger Bundeszuschuss sowie leicht höhere Zusatzbeiträge, damit die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben nicht überschritten wird. Ob dies im Jahresverlauf 2021 zu halten ist, lässt sich noch nicht absehen. Zu vielfältig sind die Einflussfaktoren. Dazu zählen die weitere Bekämpfung der Corona-Krise ebenso wie die Auswirkungen der Morbi-RSA-Reform auf die Budgets der einzelnen Kassen. Mithilfe einer Reihe von Anpassungen soll es noch besser gelingen, die Beitragsgelder dorthin zu lenken, wo sie zur Versorgung Kranker benötigt werden.
Klar ist schon heute, dass der Zugriff auf die Rücklagen eine neue Runde im Kassenwettbewerb einläutet. Allein indem die gesetzlichen Krankenversicherer ihr Kosten- und Leistungsmanagement optimieren, kann es ihnen kurzfristig gelingen, dass ihre Reserven zumindest teilweise stabil bleiben, und sie sich nachhaltig beitragssatzrelevante Vorteile erarbeiten. Diese Mischung aus Kurzfristigkeit und Nachhaltigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Der Zeitdruck ist enorm. Denn ab dem ersten Quartal 2021 fließt ein Teil der Rücklagen in den Gesundheitsfonds. Zugleich entfalten im kommenden Jahr voraussichtlich alle kostentreibenden Gesetze ihre volle Wirkung. Kurzfristige Erfolge reichen nicht aus. Werden sie nicht nachhaltig verankert, drohen eher früher als später höhere Zusatzbeiträge.
Zeitnahe Einsparungen sind möglich
Nach Erfahrungen von Bain können Krankenkassen durchaus in kurzer Zeit nachhaltige Sparerfolge verbuchen. In vielen Leistungsbereichen lassen sich innerhalb von nur zwölf Monaten nennenswerte Einsparungen erzielen. Das Spektrum reicht von bis zu 2 Prozent bei den Krankenhäusern bis hin zu 4 Prozent und mehr in der häuslichen Krankenpflege (Abb. 2). Die entsprechenden Vorarbeiten können binnen weniger Monate geleistet werden, der weiter unten erläuterte agile Bain-Campus-Ansatz führt rasch zu Ergebnissen.
Natürlich hängen die tatsächlichen Einsparungen von der jeweiligen Ausgangssituation ab. Dennoch sind einige zentrale Maßnahmen kassenübergreifend schon auf kurze Sicht besonders Erfolg versprechend. Bei den Krankenhausausgaben bietet sich beispielsweise eine analytisch basierte Fallauswahl für die Rechnungsprüfung an, um die definierten MD-Quoten für 2021 optimal zu nutzen. Bei den Arzneimitteln sollte ein Fokus auf der systematischen und umfassenden Steuerung von Hochkostenfällen liegen. Auch beim Krankengeld kann eine Systematisierung und klare Priorisierung im gegebenenfalls analytisch optimierten Fallmanagement zu geringeren Ausgaben führen.
In der häuslichen Krankenpflege ist es ratsam, sich im ersten Schritt auf die möglichst stringente Steuerung der Jahresverordnungen zu konzentrieren. Da diese einen Großteil der Kosten für das Gesamtjahr ausmachen, kann ein optimierter Genehmigungsprozess zu erheblichen Einspareffekten im Budget 2021 führen. Auch bei Hilfsmitteln ergeben sich durch ein einheitliches und straffes Vorgehen bei der Genehmigung oft noch Einsparpotenziale. Und im Bereich der Rehabilitation sollte sich jede Kasse mit den Folgen des IPReG beschäftigen. Auf die Agenda gehört, eine systematische Beziehung zum Medizinischen Dienst aufzubauen beziehungsweise diese zu optimieren.
Campus-Tage garantieren schnelle Fortschritte
Eine derartige Fülle von Maßnahmen birgt die Gefahr, dass im hektischen Arbeitsalltag selbst vielversprechende Initiativen versanden. Diese lässt sich bannen, indem Krankenkassen konzertiert vorgehen. Mit dem sogenannten Bain-Campus-Ansatz ist es möglich, die hier skizzierten Optimierungspotenziale schnell und zugleich nachhaltig zu heben. Interdisziplinäre Teams entwickeln dabei praxisnahe Lösungen, Campus-Tage garantieren schnelle Fortschritte. Dort entstehen Konzepte und fallen Entscheidungen. Ein enges Tracking der konkreten Aktivitäten gewährleistet, dass die Maßnahmen die erhoffte Wirkung erzielen. Sollte dies nicht der Fall sein, lässt sich schnell nachsteuern.
In Corona-Zeiten können Krankenkassen Campus-Tage auch virtuell durchführen. Wesentlich ist, dass operative und strategische Einheiten zusammengebracht werden. Es entsteht eine einzigartige Dynamik, die bewirkt, dass Konzepte in kurzer Zeit entscheidungsreif sind und deutlich schneller umgesetzt werden können. Vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetze ist dies von zentraler Bedeutung. Mit einem solch agilen Handeln sind Krankenkassen in der Lage, binnen weniger Monate ihr Kosten- und Leistungsmanagement deutlich zu verbessern und sich einen Wettbewerbsvorsprung im Jahr 2021 und darüber hinaus zu erarbeiten.
Kostenführerschaft sichert Wettbewerbsvorsprung
Das neue Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz erhöht den Handlungsdruck für die gesetzlichen Krankenversicherungen weiter. Denn der Zugriff auf die Rücklagen im Jahr 2021 läutet eine neue Runde im Kassenwettbewerb ein. Je enger die Krankenkassen in dieser Situation ihre Leistungsausgaben steuern, desto größer ist ihre Chance, dass ihre finanziellen Reserven stabil bleiben und sie auf hohe Zusatzbeiträge verzichten können. Durch ein konzertiertes Vorgehen mit dem Bain-Campus-Ansatz kommt es zeitnah zu Einsparungen in vielen großen Leistungsbereichen. Das agile Handeln stellt die Einbindung der Beschäftigten sicher und sorgt dafür, dass die kurzfristig wirksamen Sparmaßnahmen in der Organisation nachhaltig verankert sind. So entstehen Kostenführer, die die nächste Runde im Kassenwettbewerb nicht scheuen müssen.