Brief

Deutschlands Banken 2019: Erst sanieren, dann konsolidieren
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Auf einen Blick
  • Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern halbierte sich 2018 auf 1,0 Prozent.
  • Die Automobil- und Privatbanken erzielten 2018 mit 8,5 Prozent beziehungsweise 6 Prozent überdurchschnittliche Renditen.
  • Mit einer nachhaltigen Sanierung und länderübergreifenden Konsolidierung können deutsche Banken die Renditelücke schließen

Die sechste Bain-Analyse zur Entwicklung der deutschen Kreditinstitute legt deren strukturelle Schwächen offen. In einem unverändert stark fragmentierten Markt sinken ihre Erträge tendenziell, die Kosten dagegen bleiben allen Sparprogrammen zum Trotz auf hohem Niveau und im Ergebnis deckt der Gewinn selbst die deutlich rückläufigen Eigenkapitalkosten nicht. 2018 verschlechterte sich die Situation weiter. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern halbierte sich und näherte sich mit 1,0 Prozent der Nulllinie. Etwas heller wird das Bild, werden die Besonderheiten des §340g HGB und damit die aufwandswirksamen Zuführungen zum Sonderposten für allgemeine Bankrisiken herausrechnet. Doch selbst in diesem Fall bleibt die Eigenkapitalrendite mit 2,4 Prozent unter den durchschnittlichen Eigenkapitalkosten von 3,5 Prozent. Nur jede siebte Bank verdiente zuletzt ihre Eigenkapitelkosten.

Cost-Income-Ratio deutscher Banken steigt weiter

Die Entwicklung der Cost-Income-Ratio verdeutlicht die schwierige Situation der heimischen Kreditwirtschaft. Seit Anfang der Dekade stieg diese Kennzahl branchenweit um 10 Prozentpunkte auf nunmehr 73 Prozent und nähert sich damit dem Niveau des Krisenjahres 2008. Im internationalen Vergleich liegt die Cost-Income-Ratio deutscher Banken damit deutlich über dem Niveau US-amerikanischer, asiatischer und sogar europäischer Wettbewerber. Auf der Ertragsseite entwickelten sich vor allem die Provisionsüberschüsse nicht wie erhofft – seit Jahren stagnieren sie bei jährlich rund 30 Milliarden Euro. Die Zinsüberschüsse können sich derweil dem Einfluss der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht entziehen, und aufgrund eines deutlich rückläufigen Handelsergebnisses spitzte sich 2018 die Ertragssituation weiter zu. Auf der Kostenseite gerieten deutsche Banken mit ihren ohnehin kostenintensiven Geschäftsmodellen zusätzlich unter Druck. Ursächlich dafür waren steigende Aufwendungen vor allem für die Digitalisierung und die verschärfte Regulierung, wodurch sämtliche Sparanstrengungen konterkariert wurden.

Allerdings waren nicht alle Institutsgruppen gleichermaßen mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere die Automobil- und Privatbanken erzielten 2018 überdurchschnittliche Eigenkapitalrenditen, und die Renditen der Kreditgenossenschaften und Sparkassen liegen ohne Berücksichtigung der Risikovorsorge gemäß §340g HGB weiterhin auf einem ansehnlichen Niveau. Dennoch mussten auch diese Institutsgruppen einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen.

Im internationalen Wettbewerb belegen dagegen selbst in Deutschland gut platzierte Institutsgruppen mit ihren Eigenkapitalrenditen nur hintere Ränge. Unangefochtener Spitzenreiter sind die US-Banken, die zuletzt eine Eigenkapitalrendite von 12 Prozent erwirtschafteten. Die europäischen Häuser, die ebenfalls unter der Politik der EZB sowie der verschärften Regulierung leiden, erzielten im Durchschnitt eine Rendite von 7 Prozent.

Gesamtprofitabilität gerät mittelfristig in Gefahr

Die signifikante Renditelücke der deutschen Banken, sowohl im internationalen Vergleich als auch gemessen an den Eigenkapitalkosten, könnte in den kommenden Jahren noch größer werden. Eine exklusive Szenariorechnung im Rahmen dieser Studie ergibt, dass sich mittelfristig selbst in einem nur leicht eingetrübten Umfeld die Eigenkapitalrendite noch einmal halbieren könnte. In einem Negativszenario gerät die Gesamtprofitabilität der deutschen Kreditwirtschaft in Gefahr. Es droht eine negative Rendite von -1,0 Prozent. Im Vergleich zum europäischen Wettbewerb entspricht dies einer Ergebnislücke von 8 Prozentpunkten beziehungsweise 40 Milliarden Euro. Allein zur Deckung der Eigenkapitalkosten wäre eine Steigerung des Ergebnisses um 23 Milliarden Euro erforderlich.

Deutschlands Banken müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um ihre Geschäftsmodelle zukunftssicher zu machen und die Lücke zu schließen. Doch die Bain-Analyse zeigt auch, dass selbst eine konsequente organische Transformation mit aggressiven Maßnahmen zur Kostensenkung die Eigenkapitalrendite in den kommenden Jahren lediglich um rund 4 Prozentpunkte steigen lässt.

Transformation ohne Konsolidierung kann Renditelücke nicht schließen

Ohne anorganische Maßnahmen können die deutschen Banken daher auch mittelfristig nicht zu auskömmlichen Renditen zurückkehren. Es bedarf einer breit angelegten Konsolidierung auf nationaler und europäischer Ebene, um die Eigenkapitalrendite um weitere 4 Prozentpunkte zu erhöhen. Das nationale Konsolidierungstempo, das bisher vorgelegt wurde, reicht bei Weitem nicht aus. Seit 2008 sank die Zahl der Banken gerade einmal um durchschnittlich 2 Prozent pro Jahr, Großfusionen blieben aus. Doch selbst bei einer höheren Dynamik sind die so dringend erforderlichen Skalen- und Synergieeffekte auf nationaler Ebene nach wie vor limitiert.

Grenzüberschreitende Zusammenschlüsse setzen allerdings eine europäische Bankenunion und damit eine politische sowie eine regulatorische Harmonisierung voraus. Kurzzeitig schien im Herbst 2019 Bewegung in die Sache zu kommen. Der Vier-Schritte-Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Etablierung einer Bankenunion erregte europaweit Aufsehen. Doch schon wenige Wochen später vertagten die EU-Finanzminister das Thema wieder. Unabhängig von politischen Entscheidungen steht fest: Eine europäische Konsolidierung erfordert vorab eine nationale Sanierung und Profitabilisierung. Nur mit effizienten sowie skalierbaren Geschäfts- und Betriebsmodellen können die Banken in internationalen Zusammenschlüssen die erhofften Kostensynergien realisieren.

Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle sicherstellen

Bei der Transformation ihrer Geschäfts- und Betriebsmodelle haben allerdings gerade die deutschen Institute erheblichen Nachholbedarf. Viele Geschäftsmodelle wurden bislang nicht an die neue Ertragsrealität angepasst. Betriebsmodelle wurden zwar stabilisiert, aber nicht in erforderlichem Maß restrukturiert oder skaliert, um der Margenerosion entgegenzuwirken. Damit allein können die deutschen Banken allerdings weder ihre Zukunftsfähigkeit sichern, noch den Boden bereiten für eine europäische Konsolidierung. Wollen die Institute aus einer Position der Stärke heraus agieren, gilt es den Fokus auf vier Stoßrichtungen zu legen, die es ihnen ermöglichen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Zugleich müssen die Banken ihre Strategie konsequent weiterentwickeln. Die vier Stoßrichtungen sind:

  1. Komplexitätsreduktion: Einfachheit als Schlüssel zur nachhaltigen Sanierung nutzen.
  2. Digitalisierung: Das Kerngeschäft verbessern und neue Geschäftsmodelle schaffen.
  3. Kundenorientierung 2.0: Den Kundenfokus leben und organisatorisch verankern.
  4. Nachhaltigkeit: Die Kunden von morgen binden und begeistern.

Alle vier haben das Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle zu gewährleisten und die Profitabilität der deutschen Banken kurz- beziehungsweise mittelfristig zu steigern. So können hiesige Institute aus einer Position der Stärke heraus in Gespräche über europäische Zusammenschlüsse gehen. Erst sanieren, dann konsolidieren – das dürfte die Handlungsmaxime für die kommenden Jahre sein.

Zur vollständigen Studie als PDF.

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