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Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister

Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister

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Vom Automobilbauer zum Mobilitätsdienstleister
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Fast alle Hersteller werden in Kürze ihren Kunden Elektroautos anbieten, einige pilotieren bereits Mobilitätskonzepte vom Car Sharing bis zum integrierten Reiseportal. Eines aber vorweg: Ein Umbruch in der Branche wird nicht über Nacht erfolgen wie zum Beispiel in der Fotografie, wo der chemische Film innerhalb nur weniger Jahre durch Digitalkameras substituiert wurde. Die Wachstumstreiber der Automobilindustrie bleiben auch in Zeiten großer Veränderungen intakt, da vor allem die Schwellenländer auch in der kommenden Dekade die Nachfrage im traditionellen Fahrzeuggeschäft beflügeln werden.

Parallel dazu entwickeln sich mit hoher Dynamik neue Geschäftsfelder rund um die Bereitstellung individueller Mobilität. Das führt dazu, dass neue Player in das bisher von den Automobilbauern dominierte Geschäft der individuellen Mobilität einsteigen. Und damit laufen die Hersteller Gefahr, ihre Schnittstellen zu ihren Kunden zu verlieren. Die neue Dynamik eröffnet den traditionellen Herstellern aber auch Chancen. Damit sie aus den Entwicklungen Kapital schlagen können, müssen sie jedoch die Zeichen der Zeit erkennen, diese richtig interpretieren und ihr Geschäftsmodell rechtzeitig anpassen.

Und die Zeit drängt: Innerhalb der nächsten zwölf bis 18 Monate müssen die Weichen gestellt werden, um beispielsweise die Elektromobilität in ein integriertes Geschäftsmodell einzubetten, welches auch Angebote für Batterieleasing, Ladestrom, die so genannte intelligente „Wallbox“ und Ladeinfrastruktur beinhalten kann. Bereits heute tummeln sich auf diesem Markt Newcomer, wie zum Beispiel das „Mobility House“ in Salzburg, die sich den Herstellern als Partner mit schnellen, pragmatischen Lösungen anbieten.

Die neuen Geschäftsfelder entstehen im Wesentlichen im „Downstream“-Segment der automobilen Wertschöpfungskette und generieren dort neue Umsatz- und Ergebnispotenziale. Das „Upstream“-Geschäft der Fahrzeugentwicklung und -produktion bleibt dagegen durch fortbestehende Überkapazitäten weiterhin unter Druck; damit verschiebt sich der Profit Pool der Automobilindustrie weiter nach hinten. Das ist für die Branche nichts Neues, denn bereits vor über zehn Jahren sorgte das verstärkte Aufkommen von Finanzdienstleistungen für einen massiven Schub in Richtung Downstream-Profite. Dieser Trend wird sich mit der Nachfrage nach neuen Mobilitätsdienstleistungen fortsetzen.

Bain & Company hat die neu entstehenden Geschäftsfelder gesamthaft erfasst und bewertet. Dabei sind diese Mobilitätsformen kein Ersatz für das traditionelle Verkaufsmodell. Es geht für die Autobauer vielmehr darum, eine sinnvolle Auswahl der neuen Möglichkeiten in einem integrierten Geschäftsmodell zu verankern: Vertrieb, Aftersales, Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Viele Hersteller haben dazu bereits Pilotprojekte gestartet. Bislang fehlt jedoch ein integrierter Ansatz, der die gesamte Bandbreite der neuen Mobilitätsangebote erfasst und sie systematisch mit dem existierenden Kerngeschäft verbindet, um die „Mobilität der Zukunft“ zu gestalten. Bain hat dazu vier Normstrategien für die mögliche Rolle der Hersteller entwickelt: der „Integrierte Mobilitätsdienstleister“, der „Vermittler“, der „Selektierer“ und der „Minimalist“. Diese helfen den Herstellern sich zu entscheiden, in welchen Geschäftsfeldern sie sich in Zukunft engagieren wollen und mit welcher Strategie sie diese erschließen wollen. Bei der Bewertung der verschiedenen Mobilitätsgeschäftsfelder müssen sowohl die Attraktivität als auch die Entfernung vom etablierten Kerngeschäft für den jeweiligen Automobilbauer und seine Marken evaluiert werden. Auf dieser Basis kann ein Hersteller entscheiden, ob er ein bestimmtes Geschäftsfeld selbständig, gemeinsam mit einem Partner oder eventuell gar nicht erschließen möchte. Nachdem die Entscheidung für die Eckpfeiler des Geschäftsmodells gefallen ist, sind die einzelnen Elemente sukzessive aufzubauen und in lokalen Pilotprojekten zu testen. Erst danach sollte das integrierte Geschäftsmodell flächendeckend und eng verzahnt mit dem Kerngeschäft ausgerollt werden.

 

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